Mit einem schlechten Jahr im Rücken hat man – anders als zum Jahresanfang 2024, als die Branche in einer Angststarre zu verharren schien – inzwischen zumindest eine Ahnung, wohin es gehen wird im Küchenmarkt: auf dem erreichten niedrigen Level geradeaus, möglicherweise sogar etwas aufwärts.
„Die Branche ist in Wallung.“ Darunter fasst ein Vertriebsmann aus der Küchenindustrie eigentlich alles zusammen, worüber wir auch beim INSIDE in den letzten Wochen geschrieben haben: Personalien wie den immer noch nachhallenden Abschied von Markus Sander bei Häcker, seine Nachfolge durch Matthias Berens, der Anfang 2026 nach Rödinghausen zurückkehren soll, Berens‘ Nachfolge bei der Baumann Group in Löhne, wo Inhaber Delf Baumann mit Kai Menke und Hélène Bangert frischen Wind reinbringen will (ohne dass überhaupt jemals der Verdacht aufgekommen wäre, der könne in der Baumann Group nicht ohnehin schon wehen).
Unter „Wallung“ fällt auch die kürzliche Beteiligung des Finanzinvestors Orlando Management an Leicht Küchen oder der Verkauf von RWK & Kuhlmann an Brigitte-Inhaber Steffen Liebich bzw. dessen Berliner Gesellschaft Urba Hausservice und Handels GmbH, der in dieser Woche bekannt wurde. Liebich hat am 5. Februar Ralf Marohn an der Unternehmensspitze abgelöst.
Nicht alle Veränderungen sind so offensichtlich wie diese. Gewerkelt wird vor allem unter der Oberfläche. Unternehmen aus Handel und Industrie, auch Verbände, bei denen es früher vor allem um Kostenführerschaft ging, arbeiten an sich selbst, versuchen sich in der berühmten Neuerfindung, für die es neben Kraftanstrengungen auch viel Durchhaltevermögen braucht. Ihnen allen ist klar: Die schlechte Nachfrage und die schwache Wohnbaukonjunktur auszusitzen, wird nicht reichen, um sich mit gewachsenen Marktanteilen eine gute Ausgangsposition für die ersehnte Zeit zu verschaffen, in der es wieder los geht. Mut und Innovationsgeist sind gefragt und kluge strategische Entscheidungen – jetzt und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Was andernfalls passieren kann, dafür gibt es gerade viel zu viele Beispiele unter anderem aus dem Kastenmöbelsegment.
Nach der Ratlosigkeit zum Beginn der Absatzkrise, die die Küchenleute trotz jahrelang prophezeiter Überkapazitäten dann im Herbst 2023 doch irgendwie ziemlich überrascht hat, ist momentan – und das trotz zumeist nach wie vor mieser Beschäftigung in den Werken – an manchen Stellen endlich mal wieder sowas wie Aufbruchstimmung zu verspüren. Dabei hilft, dass im Markt anscheinend endlich die Talsohle erreicht ist.
Die amtliche Statistik für 2024 weist einen Rückgang von knapp 7 Prozent in der deutschen Küchenmöbelindustrie aus. Dass es wirklich nicht schlimmer war, daran gibt es allerdings begründete Zweifel. Ernsthafte Schätzungen aus dem Markt gehen davon aus, dass das Volumen sich auf dem Niveau von 2016 bewegt hat. 20 bis 25 Prozent des Volumens wären seit dem Corona-Hoch auf der Strecke geblieben, wertmäßig vielleicht 10 bis 15 Prozent.
Auf konjunkturelle Impulse oder gar politische wird eher nicht gesetzt. Nobilia-Chef Dr. Lars Bopf sagt es so: „Wichtige Themen werden in der Politik gerade überhaupt nicht mehr behandelt.“ Mit seiner Meinung ist er in der Küchenbranche nicht allein. Auch andere beklagen, dass das Thema Migration Wahlkampf und Berichterstattung so stark dominiert, dass wirtschaftliche Themen, Wohnungsbau, Klimaschutz, Digitalisierung oder auch Demografie komplett in den Hintergrund gedrängt wurden.
Was den Wohnungsbau angeht, das Überthema im Küchenmarkt seit Beginn des Abschwungs vor drei, vier Jahren: Eine Förderung des Einfamilienhausbaus ist politisch nicht mehr gewollt, vielmehr soll verdichtet werden. Wohnraum muss aufgrund des zunehmenden Mangels schnell und kostengünstig geschaffen werden. In diesen Tagen machte der so genannte „Hamburger Standard“ Schlagzeilen, mit dem der nordische Stadtstaat als erstes Bundesland ein Konzept für effizientes, kostengünstiges Bauen geschaffen haben will. Es wird mehr Wohnprojekte mit vielen Einheiten geben in Zukunft. Für die Küchenbranche bedeutet das eine größere Anzahl kleinerer, womöglich preisgünstiger Küchen. Und für die Vermarktung: mehr Projektgeschäft. Von dem wird zunehmend auch die Industrie direkt was abhaben wollen.
Andere Wege
Auch an anderen Stellen ändert sich die Küchenvermarktung. Online-Lead-Generierung und Terminvereinbarungen sind längst nicht mehr nur Kür. Außerdem im Kommen: Höffner, XXXLutz und andere investieren stark in Heimberatung nach dem früheren Küchenquelle-Modell.
Von der Idee aus den 2010-er Jahren, dass Küchen sich so gar nicht digital verkaufen lassen, ist man inzwischen weg. Geht selbst im gehobenen Bereich – natürlich mit entsprechend intensiver Beratung. Einfache Küchen, auch montierte, werden heutzutage locker auch im Online-Shop verkauft, von Internet Pure Playern genauso wie von Händlern mit stationärem Ursprung. Die Industrie stellt sich mit entsprechenden Produkten darauf ein. So weit wie RWK & Kuhlmann, einen eigenen Onlineshop hochzuziehen, würde sicher nicht jeder Küchenbauer gehen. Kurz vor dem Verkauf des Unternehmens sind Ralf Marohn und ein Team früherer NEG-Novex-Leute noch mit dem Online-Shop geba-germany.de an den Start gegangen.
Allen voran Ikea drängen inzwischen auch Unternehmen aus der Großfläche mit Studiokonzepten in den Bereich vor, der bislang Küchenspezialisten vorbehalten war. Auch Kleinflächenkonzepte werden häufiger. In Zeiten von VR und AR braucht es vielleicht nur noch zwei Musterküchen. Und endlich, das muss man schon sagen, kommen auch ganz neue, junge Konzepte auf den Markt. Eins davon, Hej Kitchen von Ehrmann, haben wir im letzten INSIDE kurz vorgestellt (INSIDE 1199).
Ein Trend, der sich im Premiumbereich wohl durchsetzen wird, ist ganzheitliches Einrichten mithilfe von Innenarchitekten und Interior-Designern – oder eben Küchenstudios, die das entsprechende Angebot haben.
Stabil bis etwas besser
Und so schaut’s aus in der Küchenmöbelindustrie zum Jahresanfang: Die Auslastung ist im Januar und Februar traditionell schlecht, mit dem schlechten Jahr im Rücken nochmal mehr. Wundert kaum, dass Kurzarbeit und andere Maßnahmen zur Beschäftigungsreduzierung auch im ersten Quartal noch Usus sind. Beim ein oder anderen sieht es im Auftragseingang schon wieder etwas besser aus, andere warten noch drauf. Bis sich diese Aufhellung in der Auslastung niederschlägt, muss die Industrie aber noch ein paar Wochen durchhalten. Und: Von Boom ist noch längst nicht die Rede, auch wenn die Verkäufe zum Jahresstart „draußen“ im Handel ganz ordentlich gewesen sein sollen. Schüller-Vertriebsleiter Frank Bayer: „Der Auftakt ins Jahr war recht positiv, besser als im natürlich sehr schwachen Vorjahr. Das ist auch im AE bereits sichtbar."
Sagt auch einer seiner Kunden. Der Kreis-Händler Max Guttenberger von Küche und Objekt aus Abensberg, der am Standort Regensburg, ziemlich zentral, im Dezember gerade das Next125 Concept Store-Format umgesetzt hat: „Bei uns läuft‘s wieder – im Projekt oder im Retail". Auch Team7-Inhaber Dr. Georg Emprechtinger spürt wieder „ein leichtes Lüftchen unter den Flügeln“, und Nobilia-Geschäftsführer Bopf hat aus den Märkten, in denen das Unternehmen an Handelsunternehmen beteiligt ist, ähnliche Rückmeldungen.
„Für 2025 gehen wir von einer positiven Entwicklung aus, die wir noch deutlicher im Export erwarten als im Inland“, so Leicht- Chef Stefan Waldenmaier. Rotpunkts Vertriebsgeschäftsführer Sven Herden erwartet „mit Rückenwind aus November und Dezember für 2025 wieder ein leichtes Umsatzwachstum, allerdings bei weiterhin schwierigen Rahmenbedingungen“, und Ballerina- Geschäftsführerin Heidrun Brinkmeyer plant für 2025 mit einem „soliden Wachstum von 3 bis 5 Prozent“.
„Wir sind positiv in das neue Jahr gestartet und nehmen diese optimistischen Impulse auch aus den Märkten wahr“, gibt Häcker-Marketingleiterin Karin Padinger aus Rödinghausen durch. Und Roger Klinkenberg, Vertriebsgeschäftsführer bei Pronorm geht nach dem schwachen 2024 im laufenden Jahr wieder von einem leichten Wachstum aus. Solche Stimmen hört man wieder öfter in diesen Tagen, obwohl die Branche sich einig ist: Das All time high aus der Corona-Zeit, das wird von selbst so schnell nicht wieder erreicht. Die Unternehmen müssen aktiv werden.
Aktivität schaut bei den einen so aus, bei den anderen so. In der Großfläche ist es nach wie vor die große Werbetrommel. Jubiläen wie bei Rieger, Segmüller, XXXLutz oder Möbelmarkt Dogern ziehen im gesamten Land Marketinginvestitionen nach sich. Mit Erfolg für die Auftragsbücher, wie man hört, aber sicher auch mit einem tiefen Griff in die Kasse. Für das Stopfen der damit entstandenen Löcher ist dann wiederum die Industrie zuständig. Großflächen-Lieferanten wird der bevorstehende XXXLutz-Porta-Deal garantiert noch ein paar Euro kosten.
Die lieben Preise
Mit den Einkaufspreisen der ganz Großen mitzuhalten, wird für Küchenspezialisten zunehmend schwer werden. Solange diesen der Dauerbrenner Preis als Hauptargument in der Vermarktung einfällt, wird das den Druck im gesamten Küchenmarkt erhöhen und die Industrie darin bestätigen, dass die Rettung in den Exportmärkten zu suchen ist. Apropos Preise: Die zwischenzeitlich hohen Inflationsraten hatten für längere Zeit dafür gesorgt, dass Anbieter im Preiseinstieg scheinbar eine bessere Entwicklung hatten als der Gesamtmarkt. Darauf wiederum hatte schon im Verlauf des letzten Jahres die Industrie mit unterjährigen Angeboten reagiert. Spätestens bei den Herbstmessen hatte dann so ziemlich jeder was Zusätzliches in den unteren Preislagen in petto.
Während die einen damit argumentieren, dass die Branche in den letzten Jahren preislich die Bodenhaftung verloren habe und Küche wieder „demokratischer“ werden muss, sehen andere genau das als ein gefährliches Spiel und stellen folgende Fragen: Ist der Preisrutsch eine Idee von Industrie und Handel? Wird gezielt nach unten beraten oder wird ein solches Angebot von der Endkundschaft gefordert? Wird dadurch auch nur eine Küche zusätzlich verkauft im Markt?
Für Gesprächsstoff in der Branche sorgt gerade ein neues Preiseinstiegsprogramm aus dem Hause Nobilia namens Nobi smart – ein einfaches Programm, angeblich in Saarlouis gefertigt, mit dem alten Nobilia-Schubkasten Profi+, einem einfachen Gerätesortiment der Eigenmarke Laurus und Speed-Fronten der PG 0 in zwei Farben. Auf die Rückmeldung aus Verl warten wir aktuell noch.