Wenn am 7. Juni nun die Mailänder Möbelmesse, inklusive der Eurocucina und FTK, wieder ihre Tore öffnet, dann ist das mehr als nur ein weiteres Event im Jahreskalender. Nach den Jahren der Pandemie ist der Salone für viele Player im Markt die erste große, internationale Möbelmesse – und damit ein Versuch, so etwas wie die alte Normalität wiederherzustellen.
Preissteigerungen, Lieferkettenprobleme und eine lausige Konsumlaune – die Bedingungen für ein boomendes Möbelgeschäft könnten aktuell wahrlich besser sein. Als wäre das nicht genug, gibt es in der Branche nicht wenige Unternehmer, die das Thema Messen nach der Pandemie neu – und vor allem kritischer – bewerten. Auf der anderen Seite hätte eine starke, internationale Messe wie die, die nun in Mailand über die Bühne gehen soll, das Potenzial, ein Lichtblick in einem bislang eher düsteren Szenario zu sein. Wird es so kommen? Viele im Markt stellen sich diese Fragen und einige werden deshalb auch wieder nach Mailand düsen in den nächsten Tagen. Oder sind schon dort. 30 Grad hat es grad in der Domstadt. Rein in die Messehallen muss man da schon wollen. In der Stadt, vor allem im coolen Brera-Viertel, wird es da bei Cappuccino und Gelato sicher angenehmer sein.
Die Hoffnungen auf eine internationale Wiederbelebung des Geschäfts scheint da zu sein, wenn auch kaum jemand im Markt damit rechnet, dass viele Asiaten sich in Mailand tummeln werden. Auch mit Besucheransturm aus den USA rechnen wenige. Es wird wohl eher eine europäische Möbel- und Küchenmesse. Aber das heißt schon viel in diesen Zeiten. Und so haben sich aktuell auch einige heimische Player auf den Weg über die Alpen gemacht. Dabei sind in Rho-Pero auf dem Messegelände unter anderem die BSH, Bora, Bullfrog, Classicon, Dornbracht, Draenert, Duravit, Häcker, Hansgrohe, Hukla, JAB Anstoetz, Janua, Kare, Nobilia, Nolte, Rolf Benz, Schock, Schüller oder Tecta. Hinzu kommen einige Österreicher wie Voglauer und Wittmann und Schweizer, zum Beispiel De Sede und V-Zug.
Stolze Italiener
Klar, die Liste hätte auch länger sein können. Team 7, Willi Schillig, Koinor, Hartmann, Himolla oder 3C vermisst man dieses Mal. Lag aber vielleicht auch am Termin genauso wie am etwas komplizierten Anmeldeprozess. Schon im Februar, als der Höhepunkt der bisher letzten großen Corona-Welle noch bevorstand, mussten sich viele deutsche Aussteller entscheiden: Gehen wir hin oder lassen wir`s erstmal. Himolla hat‘s dann zum Beispiel gelassen. Hinzu kam: Wer seinen Stand vergrößern wollte, hörte von den Italienern des Öfteren und komischerweise in diesen Messezeiten ein freundliches „no“. Oder gar nix.
Zaungast spielen war deshalb für einige dann doch die bessere Option. Oder in die Stadt gehen – wie Walter Knoll oder Thonet oder Siematic und viele andere das machen. Bei Walter Knoll lautet das Motto daher heuer: „Walter Knoll goes Brera“. Der Edelproduzent zieht ein im Palazzo Rimessa dei Fiori, der genauso opulent wie ehrwürdig ist. Anstatt für wenige Tage große Messestände zu bauen, wolle man bestehende Räume nutzen, war auf Nachfrage aus Herrenberg zu hören. Zudem plane man dort zu sein, wo die Kunden sind. Die vielen Zufallsbesuche auf der Messe seien für Walter Knoll nicht von so großer Bedeutung. Man setze auf „ein qualitatives Einladungsmanagement“.
Im Übrigen, so sagt das Walter-Knoll-Chef Markus Benz, sei die Entscheidung pro Palazzo nicht als generelle Absage an klassische Messen zu verstehen. Aber: „Wenn Messen sich konzeptionell nicht erneuern, dann fehlt mir schon das zentrale Argument, weshalb wir dort stehen sollten.“ Unabhängig davon spürt man bei Walter Knoll ein großes Interesse, beinahe alle Partner haben sich angemeldet, auch aus Übersee. „Ich glaube“, sagt Benz, „man kann daraus schon ableiten: Die Menschen wollen wieder unterwegs sein, wollen was sehen, Kontakt haben, aber eben anders als früher.“
Postpandemische Präsentation
Ebenfalls in die Stadt zieht es die Frankenberger Möbelmarke Tho-net. Thonet-Geschäftsführer Brian Boyd: „Wir sehen Mailand anders als die IMM und die Orgatec, dort werden wir stehen. In Mailand geht es uns eher ums Flair und um die gesellschaftliche Komponente.“ Aber nicht nur. Thonet zeigt in einem Palazzo in der Innenstadt eine Art „postpandemische Retrospektive“, so Boyd, also alle neuen Modelle der vergangenen zwei Jahre, die man auf keiner Messe zeigen konnte.
Der Nachholbedarf ist eben groß – bei Ausstellern und Besuchern. Vielleicht ein gutes Argument für Mailand insgesamt, ob auf der Messe oder in der Stadt.