11. März 2022, 8:45
Vor dem Hintergrund eines exorbitanten Wachstums schießen in Frankreich neue Küchenhandelsformate wie Pilze aus dem Boden. Lieferanten sind zu einem großen Teil deutsche Küchenbauer, allen voran der größte.
Auf 4,5 Mrd Euro soll der französische Küchenmarkt in diesem Jahr wachsen, schätzt das Brancheninstitut Ipea. Das wäre ein Plus von 16 Prozent, nachdem der Markt schon 2021 wieder um 19 Prozent zugelegt hatte und die Corona-Delle aus 2020 damit mehr als ausgebügelt worden war. Gegenüber 2018 würde das Marktvolumen um mehr als eine Milliarde zunehmen, wenn denn die Prognose zutrifft.
Die großen Gewinner des Küchenbooms sind auch auf der anderen Rheinseite die Küchenspezialisten, deren Umsatz im vergangenen Jahr um 25 Prozent zugelegt hat: Auf 52 Prozent am Gesamtmarkt ist ihr Anteil gestiegen. Allein im letzten Jahr haben laut Ipea 200 neue Küchenstudios eröffnet, 2022 sollen noch einmal so viele dazu kommen. Das gut laufende Küchengeschäft weckt Begehrlichkeiten. Einige versuchen aufzuspringen und ein Kuchenstück abzukriegen.
Zum Beispiel die E-Commerce-Plattform Cdiscount, die zur Groupe Casino gehört, berichtet LSA Commerce & Consommation. Mit rund 300 Franchisenehmern innerhalb von zehn Jahren rechnet die 2016 von Maxime Gerard gegründete Marke Venidom, die auf „rollende“ Küchenstudios setzt, mit denen ländlichere Regionen erschlossen werden können. 15 hat Venidom laut LSA allein im letzten Jahr gewonnen. Auch die Baumarktketten geben Gas im Küchengeschäft: Nach Leroy Merlin und Castorama hat auch Bricomarché in 16 Filialen die Küchenbereiche ausgebaut, u.a. mit Pino-Küchen. Und natürlich eröffnet auch Ikea in Frankreich erste Planungsstudios – in Nizza, Toulouse und Paris.
Auch die bestehenden Formate, zumeist Franchise, wollen mitmischen bei der Expansion. Zwischen 20 und 50 Neueröffnungen im Jahr sind in den Ankündigungen keine Seltenheit. Um die 100 sollen es in den nächsten fünf Jahren für Aviva sein, sagt Gründer Bernard Abbou der Zeitung, und damit fast eine Verdoppelung. Vor allem die Stadtzentren hat man im Visier. In Paris stehen heuer drei Neueröffnungen an. An Aviva hält seit dem vergangenen Jahr – wie an dem Wettbewerber FBD (Ixina mit 15 neuen Läden pro Jahr, Cuisines Plus, Cuisines Références, Noblessa, Vanden Borre Kitchens) Nobilia eine Beteiligung. Auch die Elektrohandelskette Darty, bei der Nobilia neben Beckermann zu den Lieferanten zählt, hat ehrgeizige Expansionspläne mit ihrem neuen Küchenstudio-Konzept. Die nationale Nummer eins Groupe Schmidt hat sich dem LSA-Bericht zufolge für 2022 um die 50 Neueröffnungen vorgenommen, nach 40 im Vorjahr. Wettbewerber Fournier (Mobalpa, SoCoo’c, Perene, Hygena) rüstet industriell auf und baut gleich zwei neue Werke. 15 Neueröffnungen sind laut LSA für 2022 im Plan.
Was sich in Zukunft ändern könnte, ist die Lage der Küchenhandelsunternehmen. Waren sie bislang häufig auf die Randgebiete von Städten beschränkt, zieht es nun viele in die Innenstädte. Vorreiter ist Ikea. Übrigens: 62 Prozent der Franzosen haben eine Einbauküche – die Lebensdauer schätzt Ipea auf 21 Jahre. Der durchschnittliche Auftragswert sei zuletzt um 10 Prozent gestiegen und liegt bei rund 6.000 Euro – allerdings ohne Geräte und Montage.