Zum Hauptinhalt springen

AEG/Electrolux

„Irgendwann muss man sich entscheiden"

15. September 2020, 16:28
Michael Geisler (Geschäftsführer DE/AT Electrolux)

Deutschland- und Österreich-Geschäftsführer Michael Geisler ist seit 2013 bei Electrolux. Nach sechs Jahren Verantwortung für den Kleingerätebereich wurde ihm 2019 zusätzlich die Geschäftsführung des Bereichs Haushaltsgroßgeräte übertragen. Ursprünglich kommt Geisler aus dem Handel. Seine Ausbildung begann er bei Media-Saturn. Als Vertriebschef für den Küchen- und Möbelhandel ist Ralf Birk zum Beginn dieses Jahres in die Fußstapfen von Electrolux-Urgestein Karl-Heinz Schneider getreten, der in den Ruhestand gegangen ist. Im INSIDE-Interview sprechen Geisler und Birk über die Rückgewinnung von Marktanteilen, das Thema Nachhaltigkeit als „DNA“ des Unternehmens und darüber, warum das Internet of Things in Nürnberg beim Verkaufsgespräch selten als erstes angesprochen wird.

INSIDE: Herr Geisler, Sie sind seit Mai 2019 auf Ihrem Posten. Sie haben seitdem einige Veränderungen begleitet oder sogar selbst mit eingestielt.

Michael Geisler: Wir haben in den vergangenen 16 Monaten viele Dinge auf den Prüfstand gestellt und in der Folge neu justiert. Bei AEG haben wir durch die Repositionierung der Marke 2016 – also AEG Reloaded – erst mal einen Drop gehabt. Ein bewusstes Inkaufnehmen von Marktanteilsverlusten, weil wir uns aus bestimmten Preisklassen zurückgezogen haben. Irgendwann muss man sich entscheiden, wo man hinwill. Der Konsument legt die Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeit, für die Verlässlichkeit von Produkten und Langlebigkeit immer mehr in die Hände von Marken. Denn wie soll er selbst richtig differenzieren? Das gibt uns aktuell gerade Aufwind. Seit Anfang letzten Jahres kommunizieren wir das stärker denn je bei Trainings unserer Handelspartner und in Richtung Konsumenten. Im Möbelbereich gewinnen wir aktuell wieder zweistellig, was eine Bestätigung ist.

INSIDE: Herr Birk, Sie sind seit dem 1.1. in Nürnberg dabei. Unser Gespräch war eigentlich für März geplant, dann kam Corona dazwischen. Nun hatten Sie ein paar Monate mehr Zeit, um sich einzuarbeiten.

Ralf Birk: Eigentlich fühlt es sich schon nach einem halben Jahr an, als ob ich 20 Jahre dabei wäre. Die Firma und das Team haben es mir auch sehr leicht gemacht. Viele der Kollegen kenne ich von früher. Und ich habe bestätigt bekommen, dass sich hier in der letzten Zeit einiges in die richtige Richtung entwickelthat. Das war auch die Initialzündung, die mich bewogen hat, die Nachfolge von Karl-Heinz Schneider anzutreten.

INSIDE: Was hat sich denn positiv verändert? Beziehungsweise wo hat es gehakt?

Birk: Wir haben im Rahmen von AEG Reloaded einen Marken-Relaunch eingeleitet und unter anderem komplett neues POS-Material kreiert. Wir platzieren bei unseren Top-Händlern in Deutschland um die 1.000 Branding Kits, damit wir bis spätestens zum Jahresende einen einheitlichen Markenauftritt haben. Teilweise gab es draußen noch Erscheinungsbilder, so wie sich die AEG vor sieben oder acht Jahren dargestellt hat. Bei der Markendarstellung gab es ja zwischenzeitlich verschiedene Ansätze, das Double-Bran-ding AEG-Electrolux und die Rückführung auf AEG. Jetzt haben wir einen Markenauftritt gefunden, der die typischen AEG-Werte verkörpert.

Birk Ralf ELECTROLUX klein

Ralf Birk (Vertriebschef für den Küchen- und Möbelhandel bei Electrolux)

INSIDE: Wo liegt aktuell der Marktanteil?

Birk: Im ersten Quartal haben wir uns im Möbelfachhandel positiv entwickelt. Sowohl in der Menge als auch im Wert. Besonders im Küchenspezialhandel zählen wir zu den Gewinnern. Hier konnten wir einen zweistelligen Zuwachs beim Marktanteil erzielen und haben uns mit einer klaren Positionierung wieder unter die Top-3-Player im Markt zurückgear-beitet. Wir spüren deutlich, dass das Vertrauen unserer Handelspartner in Electrolux und die AEG wieder gestiegen ist. Dabei ist die Marke das eine, das Produkt das andere. Der Relaunch der AEG 2016 funktioniert produktseitig. So eine Umsetzung braucht jedoch immer etwas Zeit.

INSIDE: Zum Thema Produkt: Was bringt der Herbst?

Birk: Im September launchen wir für 2021 ein richtiges Highlight, die Matt-Black-Serie. Ein kleines, aber feines Komplettsortiment. Schwarz und Glas sind ja auch in der Küchenindustrie im Moment stark im Kommen. Die ersten Akzeptanztests waren genau wie erwartet sehr positiv. Wir werden damit einen weiteren Schritt im wertigen Bereich machen.

INSIDE: Wird diese Serie weltweit angeboten oder nur in Deutschland?

Birk: Die Matt-Black-Serie bringen wir in alle Länder, die die Marke AEG führen. In den Niederlanden haben die Kollegen ein anderes Timing und haben die Serie bereits eingeführt. Dort lässt sich bereits positives Feedback ablesen.

INSIDE: Über welche Vertriebsschienen wird die Serie vermarktet?

Birk: Wir werden dieses Sortiment ausschließlich im Küchenhandel vermarkten und es wird insbesondere den höherwertig vermarktenden Handelspartner ansprechen. Wir haben zuletzt nicht nur tolle Geräte entwickelt, sondern auch welche mit klaren Alleinstellungsmerkmalen.

INSIDE: Zum Beispiel?

Birk: Eines ist Custom Flex. Damit lässt sich eine Kühlschrank-innentür aus verschiedenen einsteckbaren Elementen flexibel gestalten. Ein hochinteressantes Feature bei Geschirrspülern ist Quick Select. Mit einem Slider kann ich stufenlos einstellen, ob ich die Priorität auf schnelles oder energiesparendes Spülen lege. Dieser Slider regt die Leute an, darüber nachzudenken, nicht immer dasselbe Programm auszuwählen, sondern durch die Visualisierung vermehrt nachhaltig zu denken. Als drittes Highlight nenne ich an dieser Stelle Kochfelder mit Sense Pro. Ein an den Kochtopf ansteckbarer Sensor kommuniziert mit dem Kochfeld und steuert so den Garprozess. All diese Dinge betreffen den wertigen Bereich im eher oberen Preissegment.

INSIDE: Um breit Marktanteile zu gewinnen, müssen Sie aber auch an die konsumorientierten Händler heran.

Birk: Ja, das ist richtig. Wir sehen die Marke AEG im wertigen Segment. Zusätzlich nutzen wir im Direktgeschäft die Marke Zanussi, die es ja seit vielen Jahren am deutschen Markt gibt.

INSIDE: Direktgeschäft?

Birk: Das ist unser Geschäft mit dem Handel. Das andere ist der Vertrieb über Küchenmöbelhersteller, die dann ihrerseits an den Handel verkaufen. Dafür haben wir die eine oder andere taktische Marke im Einsatz wie Progress, Leonard, Juno und Zanker.

INSIDE: Sie sprachen über den Markenauftritt und über Produkte. Gab es noch weitere positive Veränderungen in der jüngeren Vergangenheit?

Birk: Wir haben auch einen Schwerpunkt auf den Kundendienst gesetzt. Das wirkt sich bereits deutlich positiv aus. Wir arbeiten weiterhin mit einer eigenen Kundendienstorganisation. In ländlichen Gegenden, wo sich ein Werkskundendienst nicht lohnen würde, operieren wir mit Servicepartnern. Da es in manchen Gegenden immer schwieriger wird, Servicepartner zu finden, hat Electrolux vor ein paar Jahren Operatec gekauft und die Organisation komplett neu aufgestellt. Alle externen Anrufe landen nun direkt in Nürnberg. Wir nehmen die Fälle an und geben sie entweder an den eigenen Service, an einen externen Servicepartner oder an Operatec weiter. So wissen wir über jeden Fall Bescheid und können ihn nachverfolgen. Und wir können Händler informieren, ob Fälle abgeschlossen und ihre Kunden zufrieden sind. Es heißt ja „tue Gutes und rede darüber“. Deshalb werden wir das nun verstärkt an den Handel kommunizieren.

INSIDE: Innerhalb welches Zeitraums hat diese Verbesserung des Standings stattgefunden?

Birk: Daran haben Kollegen seit eineinhalb Jahren gearbeitet, und wir haben noch einige Dinge in der Pipeline. Service ist einfach ein Erfolgsgarant im Küchen- und Möbelhandel. Auch die Endkundenbewertungen sind spürbar nach oben gegangen.

INSIDE: Nochmal zurück zu den taktischen Marken. Gibt es da weitere Pläne oder sind Sie da bereits am Ziel?

Birk: Wir sind mit den zuvor aufgezählten Marken sehr gut aufgestellt. Es ist kein Geheimnis, dass wir auch eine Handelsmarke beliefern, nämlich Ikea. Weitere Marken oder Aktivitäten sind derzeit nicht geplant. In den Werken entsteht eine höhere Komplexität. Wir brauchen immer eine gewisse Größenordnung, um so ein Thema überhaupt bewerkstelligen zu können.

INSIDE: Werden die Umsätze mit Ikea denn Electrolux Deutschland zugeschlagen? Oder läuft diese Kundenbeziehung über Stockholm?

Birk: Alles, was wir in Deutschland vermarkten, steht in unseren Umsatzbüchern. Doch Ikea ist eine Ausnahme und wird aus der Europazentrale betreut. Wir sind zwar informiert über das Volumen des Geschäfts auf dem deutschen Markt, haben aber nicht direkt damit zu tun.

INSIDE: Es gab auch mal eine Zusammenarbeit mit MHK und VME. Damals, mit Altano bzw. Culineo.

Birk: So hat es angefangen vor einigen Jahren. Inzwischen haben wir für MHK und VME bei einigen Produkten mit stilistischen Mitteln eine Eigenständigkeit geschaffen. Da sind z.B. Griffe auf die Küchen abgestimmt. Diese Produkte gibt es auch bei internationalen Händlern der MHK Group.

INSIDE: Herr Geisler, jetzt ging es viel um den Vertrieb im Möbel- und Küchenfachhandel. Wie haben sich denn die Marktanteile für das gesamte Unternehmen entwickelt?

Giesler: Wir haben uns in den vergangenen anderthalb Jahren deutlich verbessert. Einen Umsatz für den deutschen Markt darf ich Ihnen leider nicht nennen, da wir Teil eines börsennotierten Unternehmens sind. Wir sind aktuell sehr gut unterwegs und sehen viele Anzeichen, dass sich dieser positive Trend fortsetzt. Das stimmt uns verhalten optimistisch für das Gesamtjahr, deswegen gehen wir von einer Stabilisierung auf Vorjahresniveau aus. Man kann erkennen, dass der Markt in Richtung umweltfreundlicher Geräte geht. Durch Corona wurde dies vielleicht noch beschleunigt. Das spielt uns in die Karten. Wir betreiben kein Greenwashing. Electrolux und AEG sind seit Jahrzehnten Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit.

INSIDE: Gibt es Beispiele?

Geisler: Sie können fast jede Innovation betrachten, die wir auf den Markt bringen oder in den letzten Jahren auf den Markt gebracht haben. Das ging alles in Richtung Nachhaltigkeit – schon beim FCKW-freien Kühlschrank damals auf der Domotechnica. Wir haben das aus eigenen Stücken angestoßen, nicht weil wir „supported by Greenpeace“ gewesen wären. Für Nachhaltigkeit stehen wir so stark, wie es kein anderer tut. Das wird uns auch von unabhängigen Instituten regelmäßig bestätigt.

INSIDE: Wie nutzen Sie das Thema im Marketing?

Geisler: Es wird ab September eine Endverbraucherkampagne geben. Und zwar 360 Grad, wie man so schön sagt. Dazu gehören unter anderem auch TV-Spots.

INSIDE: Sie sind Hausgerätehersteller und haben im Laufe dieses Gesprächs noch nicht einmal das Thema Internet of Things aufgebracht.

Geisler: Das Internet of Things ist definitiv die Zukunft. Hier geht es nicht allein darum, ob ich als Konsument den Ofen mit meinem Smartphone steuern kann, sondern auch um ganz pragmatische Lösungen wie Fernwartung. Natürlich gibt es auch schon heute hervorragende Beispiele aus der Praxis wie den Staubsaugerroboter. Dieses Jahr haben wir einen Luftreiniger in den Markt gebracht, der sich Daten über den Luftverschmutzungsgrad in der Umgebung aus Internet-Datenbanken holt und entsprechend die Filterleistung anpasst. Oder Klimageräte – die kann man von unterwegs steuern. Es tut sich sehr viel. Bei Großgeräten wird im Herbst noch etwas passieren.

Birk: Die Frage ist, ob das Internet of Things auch bei meinem Gesprächspartner oder meinem Handelspartner das Thema Nummer eins ist. Natürlich widmen wir uns auch dem Thema Vernetzung, aktuell zum Beispiel bei einer Backofenserie. Doch wenn ich einen Händler überzeugen will, überwiegen Argumente wie Produkt, Marke, Vermarktungsmöglichkeit und After-Sales-Service. Wenn ich dann zusätzlich eine App anbieten kann, mit der ich den Backofen steuern kann, dann mag das wirken. Aber es ist nicht immer das erste Argument.

INSIDE: In den letzten Jahren waren internationale Marken, vor allem aus Asien, als stärker werdende Wettbewerber im Gespräch. Diese Unternehmen treten auch mit einem extremen Selbstbewusstsein auf. Spüren Sie Auswirkungen?

Birk: Da muss man differenzieren zwischen Elektro- und Möbel-/Küchenhandel. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es neue Marken im Elektrohandel einfacher haben. Der Küchenhandel in Deutschland setzt gern die seit vielen Jahren bekannten deutschen Marken ein. Dort haben sich alle Player, die in den letzten Jahren Vorstöße gewagt haben, schwergetan. Aber natürlich beobachten wir das. Denn generell ist erst einmal jede Marke, die am deutschen Markt tätig ist, ein Wettbewerber und wir nehmen ihn ernst.

Anzeige

Login

Hier zum Newsletter anmelden: