Bora
„Keine zwei Schnitzel“

Nachdem Bora jahrelang den Markt mit seinen Muldenlüftern im Alleingang aufrollte, spürt das Raublinger Unternehmen nun deutlich den Atem der Konkurrenz im Nacken. Bora-Chef Willi Bruckbauer nimmt‘s aber eher sportlich.
Selten lassen sich Wendepunkte so exakt datieren: Aber für Willi Bruckbauer war der 14. September 2010 in Berlin so einer. Dutzende Fotografen haben ihre Objektive auf die Bühne und auf den Bora-Chef gerichtet, den Gewinner des Deutschen Gründerpreises in der Kategorie Start-up. Blitzlicht. Applaus. „Auf diese Seite zu mir“, schreit ein Fotograf. „Auf diese Seite zu mir“, schreit ein anderer. Danach hatte die Presse einen neuen Shooting-Star. Ein 19-Minuten-Bericht der ARD, weitere kostenlose Beiträge zu Bora auf privaten Sendern, Artikel in den großen Tageszeitungen – wie aus dem Nichts war Willi Bruckbauer plötzlich medial omnipräsent. Und Verbraucher und Händler rannten ihm die Bude ein.
Davor sah es keinesfalls so aus, als würde aus dem, was Willi Bruckbauer da macht, ein Unternehmen mit 200 Mitarbeitern werden. Eines, das große Hausgerätebauer zum Schwitzen und Verbandschefs zum Fluchen bringt, weil er keine Einkaufskooperation beliefern will. Im Gegenteil: Ganz am Anfang, vor jetzt zehn Jahren, war da nichts als diese Downdraft-Idee eines Schreiners und Küchenhändlers.
Wer glaubt, die Idee hätte jeden sofort begeistert, irrt. Unterstützung gab es zunächst wenig, auch nicht von großen Hausgeräteherstellern, denen er sie vorstellte. Schon gar nicht finanziell, von der Sparkasse Rosenheim etwa. Fast drohte das Projekt zu scheitern. Dass es aber dennoch voranging, hat Bruckbauer vor allem einem Montagebetrieb in Österreich zu verdanken. Der hat die Bora-Lüfter produziert in der Hoffnung, dass die sich schon irgendwie verkaufen lassen. Das Risiko war ohnehin auf Bruckbauers Seite, der einen Liefervertrag über eine, aus damaliger Sicht, hohe Stückzahl unterzeichnen musste.
Risiko hin oder her, das Rad war ins Rollen gebracht. Aber nicht unbedingt so, wie sich das Bruckbauer vorgestellt hat. „Was passiert, das wusste ich natürlich nicht. Dass es dahin geht, wo wir heute stehen, das hätte ich nie geglaubt“, sagt Bruckbauer heute. „Ich habe gedacht, das zeigst du und dann nimmt das jeder gerne. Wir verkaufen 150 Anlagen, das sind 300 Kochfelder. Dann suche ich mir noch zehn Händler, die genauso denken wie ich. Das sind dann 1.500 Stück. Und damit komme ich dann durch. Da brauche ich keinen Außendienst. Der fährt eh bloß mit der Badehose spazieren, wenn das Wetter schön ist. So war meine Denke. So habe ich über den Vertrieb gedacht.“ Seine Denke hat er dann recht schnell geändert. Bruckbauer: „Ein Fehler ist kein Problem, aber ich musste ihn erkennen und korrigieren.“
Belächelt, bekämpft, kopiert
Mit Beginn des Jahres 2008 kam der erste Außendienstler zu Bora, im Frühjahr der zweite und dritte. So wuchs das Team. Nach einem Vierteljahr waren die ersten 300 Kochfeldabzüge verkauft. Trotzdem begleitete Bruckbauer immer das Prob-lem der Liquiditätsfalle. Kleine Unternehmen, die Substanz gewinnen wollen, kennen das. Da liegen manchmal Wochen zwischen Materialeinkauf und Auftragsbezahlung. Schwierig, gerade wenn die Aufträge stark wachsen. Aber Bruck-bauer hat durchgehalten. Und dann kam noch der entscheidende Schub, der das Geschäft nach vorn katapultierte. Just die Sparkasse Rosenheim, die ihm am Anfang keinen Kredit geben wollte, hatte Bora für den Deutschen Gründerpreise vorgeschlagen und damit letztlich die Medienwelle ausgelöst, die Bruckbauer auch heute noch trägt.
Seit letztem Jahr hat sich die Situation noch einmal schlagartig verändert. Große Gerätebauer wie die BSH und Miele sind auf den Zug aufgesprungen und verkaufen Muldenlüfter, die denen von Bora recht ähnlich sind. Im Umgang mit der Konkurrenz schlägt Bruckbauer dann einen Ton an, der eher verwirrt. Bora danke Miele und Co., weil die Gütersloher die Idee weitertragen, hieß es in einer Living-Kitchen-Einladung an Händler. „Das hab ich auch so gemeint“, sagt Bruckbauer. „Bei nahezu allen Konzernen ist der Dunst immer nach oben gestiegen. Die haben uns belächelt. Dann haben sie uns jahrelang bekämpft. Und irgendwann ist der Druck vom Endkunden so groß geworden, dass sie reagiert und uns kopiert haben.“
„So viele Möglichkeiten“
Wenn man mit Bruckbauer spricht, wird aber nie so ganz klar, ob er sich über das neue Umfeld ärgert oder freut. Miele ist für ihn ein „schöner Wettbewerber“, sagt er einerseits, weil Miele, zusammen mit der BSH, den Markt aufmacht, bei seiner Muldenlüftung TwoInOne aber Lieferschwierigkeiten hat. Miele verfolgt aus seiner Sicht aber auch „ein aggressives Preismodell“ und hat eine „Erosion losgetreten“, weil das Miele-Modell für 2.999 Euro angeboten wird. „Wir gehen nicht mit“, sagt Bruckbauer. „Wir wollen alle zum Schluss Geld verdienen.“ Dafür sieht Bruckbauer noch jede Menge Chancen in einem europäischen Markt, in dem jährlich über acht Millionen Dunstabzugshauben verkauft werden, die immer noch nach oben absaugen.
Und dann ist da noch das Patentgerücht, in die Welt gebracht durch einen Artikel in Brand eins. Dort hieß es, Bora erwägt Patentklagen. Nein, das stimme nicht, hört man aus Raubling. Aber: „Patente sind ja da, und die müssen auch res-pektiert werden“, sagt Bruckbauer. „Ich habe schon immer gesagt, es gibt so viele Möglichkeiten, den Dunst nach unten abzusaugen, die Wettbewerber sollten das bitte anders machen als wir.“ Wenn Bora kopiert wird, werde man das beobachten und dann auch tätig werden. Aber im Moment sei nichts anhängig, und auch nicht geplant.
In Raubling versucht man sich eh ein wenig auf das eigene Geschäft zu konzentrieren. Produziert werden soll weiterhin in Österreich, obwohl die Produktion anderswo das Unternehmen nur halb so viel kosten würde. „Zum Spaß“ hatte sich Bruckbauer schon mal ein paar Angebote eingeholt.
Voran geht es auch personell: Die Mannschaft im Forschungsbereich wurde jüngst wieder vergrößert. Von zehn auf 22 war die Ansage noch vor einem Jahr. 24 sind es schließlich geworden. Produktmanager, Produktleiter, Leute, die das Geräuschlabor betreuen. Im Vertrieb ist seit Kurzem Martin Perkhofer für Österreich am Start, damit sich Vertriebsleiter DACH & NL, Rouven Göhner, mehr auf Deutschland und die Niederlande konzentrieren kann.
Und auch ins achtstöckige Gebäude, das sich neben dem Werkhaus befindet und in dem Bora in den beiden obersten Etagen seine Zentrale hat, wird investiert. Bruckbauer: „Wenn Sie nächstes Jahr Weihnachten kommen, dann erkennen Sie nur die Innenräume wieder, die Fassade wird energetisch saniert. Die Fenster sind immer noch aus den sechziger Jahren. Ich will das Unternehmen nicht verkaufen, ich investiere ins Unternehmen.“ Trotz allem will Bruckbauer bescheiden bleiben: „Das Streben nach mehr Umsatz, nach mehr Gewinn – das ist doch nie ein Ziel für mich gewesen. Ich brauche auch keine zwei Schnitzel, mir reicht eins.“
Post von INSIDE Küche
Der Küchenmarkt in 5 Minuten
Jeden Freitagmorgen in Ihrem Postfach
Login
Kein Autoplay: Video muss gestartet werden
Kein Autoplay: Video muss gestartet werden