Ifa
Ein Besuch auf der Leitmesse

Die IFA hat sich zurückgemeldet, durchaus beeindruckend. Getragen von den großen Gerätemarken Siemens, Miele, Bosch, Haier, Electrolux oder Samsung zog die Messe ihr Publikum an. Es kamen dennoch deutlich weniger Besucher als vor Beginn der Pandemie. Und die Messe Berlin muss sich strecken, nicht nur wegen ihrem unterirdischen Stress im Vorfeld, wenn sie IFA-Lenker wie BSH-Vertriebschef Volker Klodwig oder Miele-Inhaber Dr. Reinhard Zinkann wieder ins Boot holen will.
Wenn die Fantastischen Vier auf einer Messe ein Konzert geben, bei dem es zugeht wie im Olympiastadion, oder wenn Sally ihre Massen anlockt, die dann Schlange stehen bis auf die Stände des Wettbewerbs, dann kann eine Messe nicht viel falsch gemacht haben. Möchte man meinen. Blöd nur in diesem Fall, dass die beiden Beispiele für Megaandrang in den doch in die Jahre gekommenen Hallen der Messe Berlin wenig bis gar nichts mit den Aktivitäten eben jener Messe Berlin rund um ihre IFA zu tun hatten Anfang September.

Liebherr-Trio in der Haupstadt: Michael Haiminger, Martin Ludwig, Jochen Roth
Bosch hatte gerufen – und die Gäste kamen. Die Fantastischen Vier gaben ihr Gastspiel zum Auftakt der neuen Bosch-Kampagne live und mit voller Dröhnung am Freitagabend auf der Bosch-Bühne. Über 1.000 Zuschauer. Und Sally, ja, Sally ist eben Sally. Über 2 Mio Abonnenten – von jung bis alt. Am Messesamstag blockierten ihre Fans die Gänge. „Für uns war im Vorfeld klar: Wenn wir die IFA machen, dann nur richtig.“ BSH-Vorstand Matthias Ginthum hatte die Parole nicht nur im Vorfeld so ausgegeben, sondern war auch selbst schwer gefordert in langen Berlin-Tagen. Ihre Schwerpunkte setzten Bosch und Siemens im Einbausegment auf der IFA, hatten ihre Händler eingeladen und gaben auf insgesamt 6.000 qm BSH-Fläche mächtig Gas. Darüber konnte sich dann sogar Hallennachbar Miele freuen. Miele-Vertriebschef Frank Jüttner: „Unsere IFA-Gäste kommen in der Regel zu 90 Prozent aus dem Elektrohandel. In diesem Jahr dürfte die Quote der Besucher aus dem Küchen- und Möbelfachhandel dank der Aktivitäten der Kollegen etwas höher liegen.“ Bei aller Freude darüber: Miele zählte insgesamt um 20 bis 25 Prozent weniger Besucher auf der IFA als zu Vor-Corona-Zeiten.

Besuch beim ehemaligen Kollegen: Smeg-Chef Olaf Nedorn bei Siemens-Boss Michael Mehnert
Beim Marktführer BSH bekam man so eine Zahl zwar nicht zu hören. Die neue gekoppelte Catering-Area für Siemens und Bosch war proppenvoll, quasi rund um die Uhr. Doch von Besucherrekorden hörte man beim Marktführer aus München dann auch nichts. Wie auch in diesen Tagen.
Neff und Gaggenau waren gar nicht da, die Tochter bereitet sich gerade für einen neuen Aufschlag im nächsten Frühjahr vor. Dafür zog die neue BSH-Marke Solitaire, die vertriebssei-tig von Neff gemanagt wird. Solitaire-Chefin Annette Hollemann war im Dauereinsatz am Wasserhahn. Auch BSH-Vorstand Ginthum und Vertriebschef Volker Klodwig waren über Tage schwer beschäftigt. Klodwig, Aufsichtsratschef des IFA-Veranstalters Gfu, zudem noch hinter den Kulissen. Denn das Gemurre über das Messemanagement der Berliner, es war doch sehr laut zu hören. Und auf den Toiletten leider auch zu sehen. Falls es am Kostensparen gelegen haben sollte, dann war das jedenfalls keine gute Idee. Der Zustand auf den Toiletten der IFA, er war ein großes Thema in den Gängen. Und man konnte schon froh sein, wenn man sich zum Lager der IFA-Fans zählt, dass es die IFA-Toiletten nicht auch noch bis in die FAZ geschafft haben, die nach ihrem Messebesuch titelte: „Ist die IFA noch zu retten?“ Dem FAZ-Reporter kam die Schlagzeile zwar wegen der Vorgänge der vergangenen Wochen und weniger aufgrund der Performance der IFA selbst in den Sinn. Doch es bleibt natürlich was hängen. Und das gefällt Ausstellern nicht, die Millionen und Abermillionen für ihre Leitmesse ausgeben.
Darüber regten sich dann auch viele ziemlich auf, auch viele Großkunden aus dem Küchen- und Möbelhandel, die vorwiegend am Messemontag in Berlin weilten. Denn klar ist auch: Eine weitere Messe kaputtzureden, das hilft am Standort Deutschland am Ende sicher niemandem wirklich weiter. Die Kritik an der Messe Berlin, sie ist jedenfalls unüberhörbar. Dr. Reinhard Zinkann sagte etwa: „Wenn ich hier durch die Stadt gehe, dann muss ich mir schon viel Mühe geben, um verbunden werden können, auch praktisch. In den Vorankündigungen tauchte dieses Thema nicht auf. Wie kürzlich berichtet, wird Ikea in wenigen Wochen seinen ersten Matter-Hub auf den Markt bringen.

Die Sneaker sind weiß und recycelbar: Miele-Boss Dr. Reinhard Zinkann, Frank Jüttner
IoT ermöglicht auch neue Geschäfte. Hier greift Haier eine Idee von Amazon auf. Amazon hatte als Erster versucht, automatisierte Bestellungen an Waschmaschinen und anderen Geräten zu ermöglichen, Amazon Dash hieß der inzwischen eingestellte Service, für den noch kleine IoT-Dash-Buttons an die Maschine geklebt werden mussten.
Haier ist da nun weiter und hat erstmals seinen bereits in anderen Märkten eingeführten Dienst „WashPass“ vorgestellt, ein Abo-Modell, das anstelle des Kaufs einer Waschmaschine tritt. Funktioniert so: Gezahlt wird pro Waschladung, die Waschmaschine kommuniziert mit dem Smartphone des Nutzers. Waschmittel werden automatisch dosiert. In den Maschinen wird ein spezielles eigenes Waschmittel verwendet. Damit soll der Waschvorgang über 70 Prozent effizienter und umweltverträglicher sein, heißt es. In Großbritannien liegt das Pricing des dort bereits 2020 eingeführten Pay-per-Use-Modells bei einer Vorauszahlung von 69 Pfund, einer fixen Monatsgebühr von 6,90 Pfund plus 80 Pence pro Waschgang. Kunden erhalten dafür eine Waschmaschine mit 9-kg-Trommel mit WLAN-Verbindung (Normalpreis: über 500 Pfund). Die Wartung sowie das Waschmittel sind inbegriffen. Es wird spannend sein zu sehen, ob und wie sich dieses Modell in Deutschland durch-setzen kann.
Die IFA war nicht nur aus diesen Gründen eine besondere Messe: Erstmals fand sie wieder als Präsenz-Veranstaltung statt, diesmal an fünf Tagen, in denen mehr als 161.000 Besucher kamen. Im Jahr 2019 hatte die letzte IFA an sechs Tagen noch 245.000 Menschen nach Berlin gezogen. Auch bei den Ausstellern waren jetzt, drei Jahre nach der letzten Veranstaltung, weniger dabei als zuvor: Im Jahr 2022 stellten 1.100 Firmen aus, 2019 waren es 1.900. Der Wegfall vieler Firmen vor allem aus Asien, die dieses Jahr nicht nach Berlin gekommen waren, führte dazu, dass einige Messehallen leer blieben. Etwa 80 Prozent der Hallen wurden laut Messeleitung belegt. Unterm Strich war die Neuauflage also gut bestückt und besucht.
Ob es nach 2023 in Berlin weitergeht, das ist allerdings nach wie vor ungewiss. Andere Messestandorte haben sich längst in Stellung gebracht