Küchenheld

Küchenheld (mit Videos)

Ab nach oben im Netz

24. Februar 2022, 9:15
Dr. Love Edquist in München

Viel ist davon die Rede, dass die Menschen längst bereit sind, deutlich mehr für Möbel im Netz auszugeben. Das ist auch bei Küchen so. Ein Besuch beim Küchen-Start-up Küchenheld in Berlin und München.

Von außen kann man ihn nicht erkennen, den Smartroom des Küchenhändlers Küchenheld in Berlin in der Charlottenstraße nahe Gendarmenmarkt. Der Outsider ist auch glatt bisschen zu doof und latscht erst mal dran vorbei. Der so genannte Smartroom hat gar keine Ladenfront, ist im zweiten Stock und verfügt an der Haustüre unten an der Charlottenstraße grad mal über ein Klingelschild.

Laufkunden sind nicht die Zielkunden der Küchenheld-Geschäftsführer Dr. Love Edquist und Ivo Wissler und ihrem Team (knapp über 100 Leute mittlerweile). Leads werden im Netz gemacht. 40 Prozent der Kunden kommen auch kein einziges Mal in einen der mittlerweile sechs Showrooms des 2019 gegründeten Digitalanbieters, der Mitglied bei Der Kreis ist. Sitz der Gesellschaft ist Mainz. Im Mainzer Umfeld sind auch die ersten Küchenheld-Investitionsrunden gelaufen. Der bestens aufgestellte Kreis-Filialist Stefan Pallesch (Küche Creative mit Stammhaus in Bad Kreuznach und Hauptlieferanten wie Leicht, Beckermann, Häcker, Schüller) ist früh eingestiegen und bisher jede Kapitalerhöhung mitgegangen. Die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz (ISB) hat sich vor zwei Jahren an der Küchenheld GmbH beteiligt. Zuletzt auch Möbel-Martin-Inhaberfamilie Martin. Küchenheld gilt für viele – auch aus der Industrie – als Kreativlabor und kleines Versprechen in die digitale Küchenzukunft. Auch für Möbelmacher ist die Idee relevant und bei einigen nach und nach stärker im Fokus. Denn Küchenheld zeigt: Kunden geben im Netz viel Geld aus, für Möbel, für Küchen. Man kann sagen: jedes Jahr mehr. Bei Küchenheld stiegen die Warenkörbe seit dem Gründungsjahr 2019 jedes Jahr: von 12.000 Euro (2019) auf 20.000 Euro im vergangenen Jahr.

Zur Idee, zur Grundhaltung und zu ihren weiteren Plänen haben wir uns zwei Mal mit den Co-Gründern Edquist und Wissler getroffen. Einmal im Dezember in Berlin. Und im Januar im neuen Smartroom in München-Schwabing.

Klar ist: Das Internet ist längst kein Kanal mehr allein für den Preiseinstieg. Die Warenkörbe sind bei Sofas, Betten, Kommoden deutlich nach oben gegangen in den vergangenen zwei Jahren. Und die Kun-den haben damit offenkundig nicht nur schlechte Erfahrungen gemacht. Noch fehlt in vielen Onlineshops die Idee, wie man online echte Erlebnisse schaffen kann. Doch auch mit ein paar Bildchen und oft noch unausgereiften Konfiguratoren gingen die Durchschnittsbons nach oben. Wir wagen an dieser Stelle die Prognose: Sie werden nicht wieder sinken.

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Edquist beschreibt die Küchenheld-Idee so: „Es gab eine Marktlücke. Der Kunde in der Großstadt, der vorwiegend digital unterwegs ist, gut verdient oder geerbt hat und eine Küche sucht, der wurde nicht bedient. In die Marktlücke sind wir gesprungen, nicht gegen den Markt. Es wird den Küchenfachhandel weiter brauchen. Doch es gibt eben immer mehr Kunden, die digital unterwegs sind und die auch bereit sind, ihr Geld im Netz auszugeben. Wir sind uns sicher: Man muss das Geschäft für eine bestimmte Kundenschicht so digital wie möglich denken.“ Auch hochwertige Luxusgüter wie Autos oder Uhren werden im Netz gekauft. Immer öfter, immer bedenkenloser. Noch brauche es aber stationäre Touchpoints, sagen Edquist und sein Partner Wissler. Nach der Eröffnung in München wird Küchenheld in diesem Jahr weitere Smartrooms eröffnen, die dann auf ein paar Quadratmetern den Kunden auf der letzten Meile des Customer Journey abholen sollen: Leipzig kommt jetzt, Düsseldorf bald. Freiburg, Stuttgart, Hannover stehen auf der Liste.

Wie funktioniert die Idee? Der Lead wird im Netz generiert, die Anfrage geht bei Küchenheld ein. Nach der Budgetabfrage geht es in die Planung, durch eine persönliche Online-Beratung. Am Ende der Planung steht ein Angebot, in dem transparent – fast wie bei Ikea – dargelegt wird, was Unterschränke, Oberschränke, Arbeitsplatte und alle Teile inklusive der E-Geräte kosten. „Und dann verhandeln wir nicht“, sagt Edquist. „Unsere Preise sind transparent. Wenn der Kunden weniger ausgeben will, bieten wir Alternativen im Produkt.“ Starke Küchenheld-Partner sind Häcker, Schüller/ Next125, Baumann, Siemens, Bosch, Miele, Quooker, Bora. Rund ein Drittel der Küchenheld-Kunden nimmt die Küche heute mit Muldenlüfter. Küchenheld funktioniert dabei auch ein bisschen wie ein Markenlabor. Frank Haubold, bei Küchenheld als Director Einkauf und Fulfillment an Bord: „Viele Küchenhersteller sagen ja heute noch, dass Marke keine große Rolle spiele. Wir können das nicht bestätigen. Unsere Kunden wissen viel über die Marken und fragen gezielt, kennen die Instagram-Story – oder wissen zum Beispiel auch, wenn es da keine Story gibt.“

Thema Digitalisierung

Die Warenkörbe im Netz steigen. Wir werden dazu in der großen Befragung mit Infas 360, die wir auf dem 4. INSIDE Branchen-Gipfel präsentieren (siehe INSIDE Spezial Neue Ideen Nr. 3), exklusive neue Zahlen und Daten liefern. Und wir werden dazu weiter auch die Datenbank von moebel.de befragen. Zur Frage, wie stark die Warenkörbe der moebel.de-Partnershops in den vergangenen zwei Jahren angewachsen sind, liefert eine aktuelle moebel.de-Auswertung für uns spannende Zahlen (siehe Kasten).

Geld verdienen sie bei Küchenheld noch keins. Muss man daraus schließen, dass die Idee keine gute ist? Edquist und Wissler sagen, was Start-up-Unternehmer auf die Frage nach den schwarzen Zahlen oft so sagen. Botschaft: Die Rendite werde kommen, erstmal sei jetzt aber der Markt dran. Edquist: „Bisher haben wir alle Ziele erreicht. Falsch. Wir liegen deutlich über unseren Zielen.“

2021 generierte Küchenheld im dritten Jahr nach der Gründung nach Angaben der Gründer ein Nettoauftragsvolumen von 10 Mio Euro. 650 Küchen wurden verkauft. Im laufenden Jahr will man das Nettoauftragsvolumen schon wieder mindestens verdoppeln. Die Idee macht die Runde. Wir werden sie weiter beobachten. 

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