Mallorca: Küchenmarkt für Auswanderer

Küchenmarkt Mallorca

Inselträume

30. März 2023, 18:02
Felicitas Wolf und Birgit Müller

Business auf den Balearen? – Ein Traum für viele Macher aus dem deutschen Küchen- und Möbelmarkt. Einige haben ihn dauerhaft erfolgreich umsetzen können. Das Geschäft auf Mallorca hat seine Eigenheiten.

Es hat sie aus verschiedenen Gründen auf die größte der fünf Baleareninseln gezogen. Mallorca ist etwa 170 Kilometer vom spanischen Festland entfernt; weggehen möchte keiner mehr, der es geschafft hat. Manch anderer Deutsche, der auf Mallorca im Küchen- oder Möbelhandel gestartet ist, hatte da weniger Erfolg. „Wir haben zehn Jahre gebraucht, um alle unsere 30 Mitarbeiter zu finden. Etwa ein Drittel davon haben wir selbst ausgebildet“, sagt Udo Stork. Er ist einer derjenigen, die es geschafft haben. Der Möbelhändler aus dem Kraichgau gehört zur zweiten Generation von Möbel Stork, genauer der Johann Stork GmbH in Bretten. Vom Haupthaus in der Region um Karlsruhe und Pforzheim wagte er den Schritt ins gut 1.100 Kilometer entfernte Santa Ponça. Warum? „Meine Frau ist Brasilianerin. Und wir haben überlegt, wo es eine Umgebung für die Kinder gibt, die viel mit den beiden Kulturen ihrer Eltern gemeinsam hat.“

So wie den Mittfünfziger hat es einst auch Birgit und Hans Heinrich Müller auf die Insel gezogen. Auch hier gaben private Gründe mit den Ausschlag. Hans Heinrich Müller wollte es nach einer längeren Karriere bei IBM und Lexmark anders und auch etwas ruhiger angehen. „Eigentlich war es eine Schnapsidee, aber wir haben uns dann intensiver mit dem Gedanken beschäftigt. Jetzt sind wir seit 22 Jahren hier auf Mallorca“, sagt er rückblickend. Auch Müllers, noch geschäftlich, aber nicht mehr privat verbunden, hatten schon vorher mit Küchen zu tun, Birgit Müllers Familie kommt aus der Küchenbranche.

Auf Mallorca sind Birgit Müller Küchen inzwischen ein eingeführtes Brand im hochpreisigen Segment. Da kann eine Küche auch schon mal eine Viertelmillion Euro kosten. „Küchen bei Birgit Müller fangen so bei etwa 60.000 Euro an, Nolte Küchen kosten auf Mallorca im Schnitt vielleicht 18.000 bis 20.000 Euro oder etwas mehr. Das ist eine kleine Schnittmenge“, sagt Ralf Heitkamp über die Marke seiner Kollegin. Wenn einer den Markt auf Mallorca kennt, dann er. Heitkamp hat das Mallorca-Geschäft für Nolte aufgebaut, war mehr als zwei Jahrzehnte dort tätig und arbeitet aktuell noch seinen Nachfolger ein.

___STEADY_PAYWALL___Die beiden Nolte-Studios auf Mallorca tragen etwa 20 Prozent zum Spanien-Umsatz bei. Nolte Cocinas Iberia betreibt Läden in Santa Ponça, 20 Kilometer von der Inselhauptstadt Palma entfernt, und in Manacor. Manacor, so erklärt Heitkamp uns, ist die Möbelstadt auf Mallorca. 42 Möbelgeschäfte seien dort zu finden, allerdings keine größeren Küchenhändler. Während in Santa Ponça die teureren Küchen verkauft werden, liegen die erzielbaren Preise auf der Manacor-Seite der Insel deutlich darunter. Dort sind dafür höhere Stückzahlen zu erzielen.

Die drei Handelskonzepte sind unterschiedlich: Ausgründung aus einer deutschen Firma, kompletter Neuanfang als Gründerin, Tochter eines deutschen Herstellers. Aber beim Erfolgsrezept setzen alle drei auf einen Mix aus identischen Zutaten. Die Mehrsprachigkeit der Mitarbeiter ist ein absolutes Muss, mancher der Händler beschäftigt Mitarbeiter, die sechs Sprachen draufhaben – neben ihren fachlichen Fähigkeiten. „Allein in der Inselhauptstadt Palma de Mallorca leben Menschen aus 156 Nationen", sagt Heitkamp. „Mallorca ist eine Geschichte für sich, das muss man auch völlig trennen vom spanischen Festland-Geschäft.“ Denn auf der Insel sind Ferienhausbesitzer aus vielen Nationen zu finden. Die möchten in ihrer Sprache kommunizieren. Die spanischen Kunden, die Mallorquinisch oder Spanisch sprechen, gibt es auch noch, auch wenn sie bei den meisten deutschen Händlern die geringere Zahl der Kunden ausmachen. Da kann dann aber auch schon mal eine der Unternehmerfamilien vor Ort zum Kundenstamm zählen. Hinzu kommen deutsche Wirtschaftsgrößen oder Promis. Scheu gegenüber denen sollten die Mitarbeiter im Verkauf und in der Planung auch nicht haben, ein Tipp, den Heitkamp ihnen immer mitgibt.

Etwa 70.000 Deutsche haben ihren steuerlichen Hauptwohnsitz auf der Baleareninsel, einige weitere sind weniger als ein halbes Jahr auf der Insel, besitzen aber eigene Immobilien. Der gute Kontakt zu ausgewählten Maklern, Bauträgern und Architekten ist für das Geschäft wichtig. „Wir arbeiten auch viel mit spanischen Bauträgern und Innenarchitekten zusammen. Das macht 20 bis 30 Prozent des Geschäfts aus“, sagt Udo Stork. Auch Nolte hat das ein oder andere Projekt, bei dem Bauträger wichtig sind, etwa, wenn ein Objekt mit 15 Apartments geplant wird, alle mit Nolte-Küche (und Möbeln). Natürlich gibt es auch die ganz großen Projekte. Die Käufer dieser Immobilien erwerben schon mal eine 15-Mio-Villa und geben nochmal 500.000 Euro für die Einrichtung aus. Da sind dann einige Schlaf-, Wohn- und  Esszimmer einzurichten.

Obwohl sich die Händler auf deutsche Kunden spezialisieren, sind Kunden aus anderen Nationen unter den Käufern. Stork setzt deshalb auch auf einen internationalen Markenmix: Schramm, Walter Knoll, Cor, Cassina, Flexform, B&B Italia, Carl Hansen. Vitra und USM Haller gehen bei ihm ebenfalls sehr gut. „Etwa die Hälfte unserer Kunden sind Deutsche. Engländer, skandinavische Kunden, Franzosen und Spanier stehen für die anderen 50 Prozent.“ Stork hält es sowieso für wichtig, auch aus der spanischen beziehungsweise balearischen Kultur immer Angebote mit einzubeziehen. Stork macht etwa 40 Prozent des Geschäfts mit Küchen, beschäftigt rund 30 Mitarbeiter, davon 15 Interior Designer. Zwei sind Deutsche, die anderen kommen aus acht anderen Ländern. „Planungskompetenz und Kreativität sind hier unerlässlich, um gut ins Geschäft zu kommen“, sagt er.

Auch bei Birgit Müller und Nolte sieht man das ähnlich. Die Präsentation muss ebenfalls perfekt sein. Bei Stork haben sie schon vor der Pandemie viel mit 3D- und Videoberatung gearbeitet. Schließlich fliegen die Kunden nicht so oft ein, und wenn, dann nur für kurze Zeit.

Eine rare Spezies auf Mallorca: gute Monteure. Zumindest laufen die nicht in freier Wildbahn herum. Da das spanische Ausbildungssystem komplett anders ist, gibt es einfach so gut wie keine guten Tischler dort. Monteure werden also auf jeden Fall importiert; hier kann viel weniger als in den anderen Bereichen auf spanisches Personal zurückgegriffen werden. Das berichten alle Firmen. Bei der erfolgreichen Suche helfen Geduld, gute Ausbildung und Bezahlung, ein sehr gutes Arbeitsklima: Dann kommt man schon an seine Montagespezialisten. Der Aufwand lohnt, meint Stork: „Service ist hier extrem wichtig – und die Mehrleistungen werden auch honoriert, etwa bei den Planungen.“

Bei Birgit Müller arbeitet man mit fünf eigenen Monteuren. Zwei Tischler sind aus Deutschland und schon 16 Jahre im Team, die anderen drei seien Top-Tischler aus Argentinien, sagt Hans Heinrich Müller. Bei Auftragsspitzen und damit drohender Terminnot haben sie noch zwei norddeutsche Monteure in der Hinterhand, die sie einfliegen. Der Aufwand, den die Hochwerthändlerin betreibt, ist bei den anderen Händlern ebenso groß. Auch Nolte – 16 Mitarbeiter in beiden Showrooms – hat neben acht Verkäufern auch vier Monteure und zwei Servicemonteure auf der Payroll stehen. Hinzu kommen zwei Außendienstler für das Festland.

Beim Marketing beschreitet man auf der „größeren Insel“, wie Mallorca auf Mallorquinisch heißt, Pfade, die sich bewährt haben: Werbung im einzigen deutschsprachigen Monatsmagazin der Insel, in der deutschsprachigen Tageszeitung, Radiospots (ebenfalls im deutschsprachigen Sender) und inzwischen auch zunehmend Online-Schaltungen. Dazu kommen Networking- Veranstaltungen und Kunden-Events. Klingt eigentlich ganz einfach, die „Formel M“ für den Geschäftserfolg auf Mallorca. Aber auch traditionelle mallorquinische Gerichte wie Pamboli (Pa amb Oli, Brot mit Olivenöl) bestehen aus wenigen Zutaten – auf die Zubereitung und den Zutaten-Mix kommt es an.

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