26. September 2023, 18:29
Die Branche steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Sie muss ihn aktiv angehen, die großen Umwälzungen ernst und annehmen und neue, kundennahe Modelle entwickeln, so erfolgreich sie auch immer war, gerade weil sie immer so konservativ war. Doch diese Zeiten sind vorbei.
Ein Weckruf von Harald Klüh
In einer Zeit, in der kein Stein auf dem anderen bleibt, in der alles neu gedacht und transformiert werden muss, sollte auch die Möbel- und Küchenindustrie endlich anfangen, Bewährtes zu hinterfragen und nach neuen Geschäftsmodellen Ausschau zu halten, denn ein „Weiter-so“ wird – meines Erachtens – direkt ins Abseits führen.
Auf die Frage, was denn in zehn Jahren anders sein wird als heute, lautet meine Antwort üblicherweise: „Alles.“ Insbesondere wenn es um Möbel und Küchen geht, sind große Veränderungen zu erwarten. Schon seit Jahren versuche ich bei meinen Vorträgen auf die wichtigsten Einflussfaktoren hinzuweisen. Ob Urbanisierung, New City Development, Silver Society, New Work, New Living oder veränderte Essgewohnheiten – alles nimmt Einfluss auf die Art und Weise, wie wir künftig wohnen und welche Rolle Möbel oder Küchen spielen werden.
Dazu kommen die dramatischen Umwälzungen, die künstliche Intelligenz und der Klimawandel mit sich bringen werden. Das sind die eigentlichen Transformationstriebwerke. Ich bin der festen Überzeugung, dass die bevorstehende gesellschaftliche Veränderung einen größeren Einschnitt bedeutet als die industrielle Revolution und das Internet zusammen. Alles wird sich verändern. Neu sortieren. Wir als Branche müssen aufpassen, dass uns diese Lawine nicht unvorbereitet trifft und in vernichtender Weise überrollt. Daher ist es Zeit für einen gutgemeinten Weckruf Richtung Möbel- und Küchenindustrie.
Küchenplanung mit KI und mehr
Ich erwarte, dass in Kürze auch die Planung einer Küche, ja ganzer Wohneinheiten, mit KI-Software möglich sein wird. Wenn die Algorithmen einst mit all den heute gängigen Standards gefüttert sind, werden sie perfekte Ergebnisse liefern. Dann gibt man einfach die räumlichen Gegebenheiten vor und erhält innerhalb weniger Augenblicke konkrete Vorschläge, wie die neue Küche oder die neue Wohnung ausschauen kann. Fotorealistisch bis ins Detail inszeniert und virtuell begehbar. Dabei reduziert sich die Darstellung nicht wie heute auf Raum, Möbelanordnung und Oberflächen, sondern überzeugt vor allem durch stilistisch passende Accessoires in der gewählten Preiskategorie – vom Bodenbelag über Vasen und Teller bis hin zu den Bildern an den Wänden.
Diese Vorstellung ist magisch und erschreckend zugleich. Schon das Gedankenspiel lässt uns sofort Chancen und Risiken erkennen. Aber was bedeutet das konkret? Hat die kreative Planung dann noch einen Wert? Welche Werte lassen sich künftig überhaupt noch generieren? Davon ausgehend, dass KI-Tools auch Verbraucherinnen und Verbrauchern zur Verfügung stehen werden, muss die Frage erlaubt sein, welche Rolle dann den heutigen Küchenstudios und ihren Fachberatern zufällt.
Was will ich sagen: Wir sollten uns besser heute als morgen mit den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz vertraut machen und dieses wunderbare Instrument zum eigenen Vorteil nutzen. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs.
In erster Linie wird es darum gehen, vom ewigen „mehr, mehr, mehr“ zum „besser, besser, besser“ zu kommen. Volumen ist per se kein wertsteigerndes Merkmal. Qualität und Nachhaltigkeit sind es hingegen schon.