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Click & Meet

Wer hat's erfunden?

15. März 2021, 13:17

Auf einmal war er da, der Begriff „Click & Meet“, am 24.2. nämlich.

In der Produktion des vorletzten INSIDE-Wohnen-Magazins erreichten uns die ersten Nachrichten zu möglichen Terminbuchungen im Handel unter dieser Bezeichnung.  „Wo kommt der denn jetzt her?“, fragten wir uns. Und auch jeden Sprachspezialisten, der nicht bei drei auf den Bäumen war. Wir haben genervt und Staatskanzleien zur Verzweiflung gebracht.

Zunächst mal: „Click & Meet“ ist so deutsch wie Sauerkraut mit Kassler. „Es handelt sich um einen Neologismus, in dem Fall um einen Pseudoanglizismus“, so Stephanie Hackert, Professorin für Anglistik an der LMU in München und spezialisiert auf Varietäten des Englischen. Bestätigt auch das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim, das bislang nur sehr wenige Pseudoanglizismen (74) unter den 2.273 Neologismen in sein Wörterbuch aufgenommen hat.

Wir haben uns auf Spurensuche begeben. Waren es die üblichen Verdächtigen – also die deutschsprachigen Leitmedien? Oder mal wieder die Landesfürsten?

Die erste Spur führt nach Mainz. Genauer zu Malu. Denn die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer war als Erste vorgeprescht mit der Info, dass Termin-Shopping erlaubt sein solle. Auf der anderen Seite des Rheins soll man deshalb not amused gewesen sein. Und dort, nämlich in Wiesbaden, haben wir zunächst den „Schuldigen“ ausgemacht. Der Volker war’s. Eine Sprecherin der hessischenStaatskanzlei zum INSIDE: „Zunächst hatten Handelsverbände mit dem Wirtschaftsministerium über mögliche Öffnungsperspektiven gesprochen und dabei Einkauf nach Terminvereinbarung vorgeschlagen. Später hat sich die Landesregierung mit dem Thema befasst. Ministerpräsident

Volker Bouffier hat dann den Begriff ‚Click & Meet‘ dafür gewählt.“

Fall ausermittelt? Denkste. Trotz des Geständnisses. Kennt man ja vom „Tatort“: Wenn um 21.30 Uhr der Täter feststeht, war’s sowieso ganz anders. Erstens ist die Sendezeit noch nicht um. Und zwotens: Der zeitliche Ablauf kann nicht stimmen. Sagt diesmal das an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften angesiedelte Forensiker-, pardon: Forscherkollektiv, das das „Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache“ herausgibt, nichts weniger als „den deutschen Wortschatz von 1600 bis heute“. Zwar ist man dort ähnlich eingedeckt mit Arbeit wie beim IDS, das aktuell noch etwa 900 Begriffe nur zum Thema Corona gesammelt, aber noch nicht abschließend ausgewertet hat. Aber auch aus dem Osten der Republik gibt es einen Tipp: „Tatsächlich

haben wir Belege in unseren Datenbanken ausfindig machen können, die von vor dem 24. 2. stammen, aber wer tatsächlich hinter ‚Click & Meet‘ steht, kann ich auf der Basis unserer Quellen leider nicht determinieren.“

Denn, nun sind wir wieder woanders gelandet, im Freistaat Bayern nämlich. Arbeitshypothese der Ermittler: Der Markus war’s. Denn Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wird bereits am 13.2. in der Mittelbayerischen Zeitung so zitiert: „Er (Söder) bekräftigt die Sieben-Tages-Inzidenz von 35 als Bedingung für Öffnungen im Handel, bringt als Zwischenschritt aber „Click & Meet“ ins Spiel. Kunden dürften dann nach telefonischer Anmeldung Geschäfte betreten.“ Jetzt haben wir ihn.

Nicht.

Schließlich platzt jetzt die Strafverteidigerin in Gestalt der Sprecherin der Bayerischen Staatskanzlei in die Vernehmung. Charmant, aber sehr bestimmt heißt es: „Der Begriff ist ganz sicher nicht in Bayern entstanden.“ Zur Entlastung des immer noch Verdächtigen führt sie dessen im Bayerischen Landtag getätigten Äußerungen auf. Söder selbst habe zudem betont, dass er den Begriff übernommen habe. Auch hier kann der Anfangsverdacht nicht erhärtet werden, kein Beschuldigter oder gar Angeklagter weit und breit. Leider sind Zeitebene und Ablauf der Tatbegehung nun vollkommen im Unklaren.

In zwei Minuten soll der Thriller enden. Erneuter Anruf bei einer unserer Kriminalistinnen. „Es wäre für uns als Lexikographinnen ganz wunderbar, wenn wir herausfinden könnten, wer nun tatsächlich den Begriff ‚erfunden‘ hat“, so Dr. Annette Klosa-Kückelhaus, IDS-Programmbereichsleiterin Lexikographie und Sprachdokumentation. „Das gelingt uns allerdings generell nur

sehr, sehr selten. So wird es wohl auch in diesem Fall sein – es sei denn, jemand würde die Wortschöpfung öffentlich für sich reklamieren. Mal abwarten!“

Abspannmusik. Und nun? Ein Cold Case, alle Akten und Asservaten werden in den Keller geschoben. Bis irgendwann einmal eine neue Spur auftaucht. Sie sahen die Pilotfolge einer Serie. Immer diese Spoiler.

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